Neurofeedback
nach den Grundprinzipien von S. Othmer.
1. Feedback
Grundlage allen menschlichen (aber auch tierischen) Lernens, ist eine Reaktion der Umwelt auf das von uns gezeigte Verhalten. Im englischen Sprachgebrauch spricht man hierbei von Feedback. Die Wirkungsweise von Feedback ist bereits bei Kleinkindern zu beobachten. Stellen sie sich folgende Situation vor: Klein Emma haut mit ihrer Milchflasche auf den Küchentisch. Ihre älteren Brüder reagieren mit Lachen. Daraufhin wiederholt Emma sofort ihre Handlung und erntet erneut ermunterndes Lachen von Seiten ihrer Brüder.
Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ihre Mutter Schwierigkeiten haben wird, sie von diesem Verhalten wieder abzubringen. Auch auf körperlicher Ebene sind wir permanent auf Rückmeldung aus den verschiedenen Bereichen unseres Körpers angewiesen. Unser Gehirn bekommt fortlaufend z.B. Informationen über den Tonus unserer Muskeln geliefert. Dies ermöglicht uns die aufrechte Haltung und die Bewegung. Dieses vertraute Lernkonzept lässt sich im Rahmen von Bio- oder Neurofeedback therapeutisch nutzen. Hierbei wird das soziale oder das physiologische Feedback durch ein optisches oder akustisches Feedbacksignal ersetzt.
2. Hirnfunktion und EEG
Die Hauptaufgabe unseres Gehirns ist Kommunikation und Informationsverarbeitung. Diese Vorgänge sind schnell und vergänglich. Eine gängige Methode, die uns zur Beobachtung dieser Vorgänge zur Verfügung steht ist das EEG. Das EEG erfasst jedoch nicht die Aktivität einer einzelnen Nervenzelle, sondern die einer ganzen Gruppe. Die Elektroden auf der Kopfhaut sind relativ weit vom Geschehen entfernt, jedoch reicht die Distanz aus, um die Aktivität von Neuronen Gruppen von ca. 10.000 Neuronen zu beobachten. Siegfried Othmer vergleicht die Situation mit dem Verfolgen eines Fußballspiels außerhalb des Stadions. Wir sind nicht in der Lage jeden einzelnen Spielzug zu verfolgen, aber wir hören das Geschrei der Massen, wenn ein Tor gefallen ist. Das EEG trifft keine Aussage darüber, mit welchen Informationen sich das Gehirn im Augenblick beschäftigt, es lässt jedoch Einblicke in seine Kontroll- und Verarbeitungsprozesse zu. Für die Funktionsweise unseres Gehirns sind drei Komponenten von Bedeutung:
1. Überlappende neuronale Netzwerke: Ein neuronales Netzwerk überlappt sich in Bezug auf seine Lokalisation mit anderen neuronalen Netzwerken. Das bedeutet, dass ein Neuron Bestanteil mehrere neuronaler Netzwerke sein kann. Hierfür ist es notwendig, dass sich die Informationen, die in den unterschiedlichen Netzwerken weitergegeben werden, in bestimmten Merkmalen voneinander unterscheiden, da sie ansonsten nicht voneinander abgrenzbar wären. Dies wird durch die Existenz unterschiedlicher Aktivitätsmuster gewährleistet. Dies ist vielleicht mit mehreren Gruppen von Trommlern vergleichbar, die sich auf einem Platz begegnen. Jede Gruppe schlägt bei der Ãœberquerung des Platzes in ihrem eigenen Takt weiter, ohne sich von den anderen Gruppen beeinflussen zu lassen.
2. Neuronale Gruppen: Unter einer neuronalen Gruppe versteht man eine Gruppe von Neuronen, die für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe miteinander in Verbindung stehen. Neuronale Aktivität ist vergänglich. Das Gehirn baut eine neuronale Gruppe nur für den Zeitraum ihrer benötigten Aktivität auf. Neuronale Gruppen werden daher genauso schnell wieder aufgelöst, wie sie ursprünglich gebildet wurden.
3. Kommunikation zwischen Gehirnregionen: Zwischen den verschiedenen Gehirnregionen findet Kommunikation statt. Auch diese wird vermutlich frequenzabhängig koordiniert. Im Vergleich zu den lokalen Kommunikationsvorgängen ist sie jedoch störanfälliger. Alle drei beschriebenen Komponenten der Hirnfunktion können z.B. bei einer autistischen Störung in ihrer Funktionsweise beeinträchtigt sein.
3. Dysregulation der Hirnfunktion bei Autismus
Viele Autisten weisen erstaunliche Einzelfertigkeiten auf. Was jedoch den meisten von ihnen zu fehlen scheint, ist die Fähigkeit, die verschiedenen Fertigkeiten zu integrieren oder die Realität in ein inneres Bild“ einzufügen. Wir können über die Wahrnehmung autistischer Kinder nur spekulieren, aber viele ihrer Verhaltensweisen bzw. Schwierigkeiten, legen die Vermutung nahe, dass sie scheinbar eine fragmentierte Wahrnehmung ihrer Umgebung haben (ein Beispiel wären Kinder, die andere Personen nur an einzelnen Merkmalen erkennen können und nicht an Hand des Gesichts einer Person). Dies alles könnte mit Störungen der, im vorherigen Abschnitt beschriebenen, Funktionsweisen des menschlichen Gehirns plausibel erklärt werden. Man müsste also passender Weise von einem Integrationsdefizit oder, um auf neuronaler Ebene zu bleiben, einem Verknüpfungs- bzw. Verbindungsdefizit sprechen. Was aber verbirgt sich hinter diesem Begriff? Zum einen wirken sich Defizite in der Myelinisierung der weißen Nervenfasern auf die Geschwindigkeit der Informationsübertragung aus. Die globale Kommunikation unserer Hirnregionen muss mit einer Verlässlichkeit von 10 bis 20 Millisekunden ablaufen, damit das neuronale Netzwerk als global integriertes Netzwerk funktionieren kann. Die Auswirkungen einer Verlangsamung kann man sich vielleicht an Hand unseres Schienenverkehrs vor Augen führen. Jeder von uns hat sicherlich schon einmal wegen Verspätung seines 1. Zuges den Anschlusszug verpasst. Das Europäische Schienennetzwerk ist darauf angewiesen, dass die Züge max. eine Verspätung von 2- bis 3 Minuten haben, ansonsten wird eine Kette von „Verbindungsdefiziten“ in Gang gesetzt, deren Auswirkungen wir ja alle bereits einmal am eigenen Leib erfahren durften. Ein weiterer Aspekt autistischer Verhaltensweisen, der für ein „Verbindungsdefizit“ spricht, ist die mangelnde emotionale Schwingungsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit vieler Betroffener. Die persönliche Erlebniswelt eines Menschen ist eng verknüpft mit seinen Emotionen. Aspekte oder auch Lerninhalte, die für uns emotional belegt sind, werden von uns leichter abgespeichert. Diese enge Verknüpfung von Erfahrung und Emotionen ist nur durch ein hoch integratives neuronales Netzwerk realisierbar, dessen Dysregulation oder „nicht in Gebrauch sein“ zu autistischen Verhaltensweisen führen kann.
4. Feedback für den neuronalen Regelkreis = Neurofeedback
Ziel des Neurofeedback-Trainings ist es, dem Gehirn das Erreichen eines angemessenen Zustandes zu ermöglichen und diesen auch längerfristig zu halten. Da der Mensch meist nicht in der Lage ist, seine neuronalen Vorgänge bewusst wahr zu nehmen und zu beeinflussen, benltigt er hierfür ein adäquates externes Feedback. Im Rahmen einer Neurofeedback-Behandlung geschieht dies durch visuelles und auditives Feedback, in Form von Computer-Spielen und Animationen. Ein Computer wertet die, von einem hochempfindlichen Verstärker aufgenommenen Gehirnwellen aus und lässt z.B. ein Auto fahren, wenn die Gehirnwellen voreingestellte Kriterien erfüllen. Durch das angebotene Feedback wird die Selbstregulierungsfähigkeit des Gehirns verbessert. Durch das gezielte Platzieren der EEG-Elektroden, können ausgewählte Gehirnareale direkt trainiert werden. Ebenso ist es möglich die Zusammenarbeit verschiedener Areale zu harmonisieren.Neurofeedback ist letztendlich eine Verhaltentherapeutische Technik, die jedoch anstatt auf das Verhalten des Klienten, direkt auf sein Gehirn abzielt. Bei NFB-Training wird dem Gehirn ein Spiegel vorgehalten, so dass es seinen Zustand dargestellt bekommt und die Möglichkeit hat, diesen zu korrigieren.
5. Neurofeedback bei Autismus
Wie bereits im Abschnitt 3 erläutert wurde, handelt es sich bei Autismus im Prinzip um eine neuronale Regulationsstörung. Mit Neurofeedback haben wir nun ein Verfahren an der Hand, dass es uns ermöglicht, direkt auf die neuronale Regulation einzuwirken. Nach der Aussage von Siegfried Othmer ist es möglich, alle Defizite, die klassischerweise in Zusammenhang mit Autismus gebracht werden, mittels Neurofeedback-Methoden zu verbessern. Wie bereits erwähnt, ist es möglich durch das Platzieren einzelner Elektroden, bestimmte Gehirnareale gezielt anzusprechen. Es kann daher z.B. eine Verbesserung in den Bereichen emotionale Bindungsfähigkeit, Kommunikation, Sprachartikulation, sensorischer Wahrnehmung und Motorik erreicht werden. Neurofeedback wirkt direkt auf das Schlüsseldefizit der von Autismus betroffenen Menschen ein, der globalen Kommunikationsstörung des neuronalen Netzwerks.
Quelle: https://www.eeginfo-neurofeedback.de/neurofeedback/was-ist-neurofeedback/othmerverfahren.html